#MeToo 2018

Redebeitrag Stuttgart 2018 • Saskia Ulmer

Stuttgart 2018 – One Billion Rising

Redebeitrag Stuttgart 2018

 

Redemanuskript*) von Saskia Ulmer, Zweite Vorsitzende des Landesfrauenrates Baden-Württemberg auf dem Schlossplatz Stuttgart am 14.02.2018

 

Liebe Frauen, liebe engagierte Männer, liebe Demonstrierenden!

Ich freue mich sehr, dass ich heute als Vertreterin des Landesfrauenrats die Gelegenheit habe zu euch und Ihnen zu Sprechen. One Billion Rising fällt zusammen mit einem Tag, den weltweit wohl noch mehr Menschen feiern als den Aktionstag: dem Valentinstag! Am Valentinstag geht es um glücklich verliebte Paare, um Liebe. Im Grunde passt also der One Billion Rising Aktionstag perfekt in diesen Tag hinein – wir wollen auch unsere weltweite Liebe, unsere weltweite Solidarität zeigen!
Mit One Billion Rising setzen wir ein Zeichen für die Beendigung von Gewalt gegen Mädchen und Frauen! Mit Musik und Tanz demonstrieren wir gemeinsam gegen Gewalt. Der Tag der Verliebten soll also ein Tag der Liebe sein – und er soll ein Signal gegen Gewalt gegen Frauen weltweit sein.

Weshalb brauchen wir diesen Aktionstag?

Weltweit bieten sich erschreckende Bilder der Gewalt gegen Frauen: auf der Flucht und in Kriegsgebieten werden Frauen vergewaltigt, ermordet, gefoltert. Als Kriegsmittel sind Vergewaltigung und Versklavung schon länger ein bewährtes Mittel. In Lateinamerika gibt es täglich Entführungen und Morde an Frauen, sogenannte Feminizide. Feminizide sind Morde, die aufgrund des weiblichen Geschlechts einer Person verübt werden. Der Begriff wurde gewählt, um klarzumachen, dass hinter diesen Morden geschlechtsspezifische Unterdrückung und systematische Gewalt gegen Frauen stehen. Feminizide richten sich also gezielt gegen Frauen und haben ihren Ursprung im patriarchalen System! Die Strafverfolgung bei Feminiziden findet häufig nicht statt und wenn doch, sind die Strafen geringer als bei sonstigen Morden.

Es gibt aber viele weitere Beispiele: In Afghanistan gibt es Fälle, in denen Frauen, die eine erlittene Vergewaltigung angezeigt haben, Opfer von Ehrenmorden wurden. In China beförderte lange Jahr die Ein-Kind Politik eine selektive Abtreibung von Mädchen. Und in Sambia in Afrika kommt es vereinzelt zu Ermordungen angeblicher „Hexen“. Weltweit sieht die Situation für Frauen also verheerend aus. Gesellschaftliche Systeme und Finanzierung von Kriegen oder Verbrechernetzwerken durch Menschenhandel und Zwangsprostitution führen zu massiver Gewalt gegen Frauen. In Kriegsgebieten aller Arten sieht es also schlecht aus für Frauen und Mädchen. Aber auch bei uns im vermeintlich fortschrittlichen Europa und Deutschland kommt es viel zu häufig zu Gewalt gegen Frauen. Die Vereinten Nationen machen in ihrer Kampagne mit dem Namen Hashtag „JedenDrittenTag“ darauf aufmerksam, dass in Deutschland an jedem dritten Tag eine Frau von ihrem Partner getötet wird. Das sind die Fälle, in denen Gewalt gegen Frauen tödlich endet – hier in Deutschland. Dazu kommen zahlreiche andere Fälle von Gewalt gegen Frauen.

Schon seit vielen Jahren macht auch der Weltgebetstag mit den sogenannten „Black Thursdays“ auf die Gewalt gegen Frauen aufmerksam. Dafür tragen Frauen jeden Donnerstag schwarz, was insbesondere in den afrikanischen Ländern eine starke Signalfarbe ist, und stehen damit auf gegen Gewalt gegen Frauen. Auch diese Kampagne hat bis heute nicht an Bedeutung verloren, leider gibt es noch immer viel zu viele Fälle von Gewalt gegen Frauen.

Immerhin: mit der #Metoo Kampagne ist das Thema Sexismus und sexuelle Gewalt gegen Frauen kein Tabuthema mehr. Auch hier in Deutschland nutzen Männer ihre Machtpositionen aus, um Gewalt gegen Frauen zu verüben und ungestraft damit davonzukommen. Lange war es auch in unseren sogenannten modernen Gesellschaften kein Thema, mit dem sich Frauen in die Öffentlichkeit getraut haben. #MeToo hat hier etwas Großes bewirkt: populäre Schauspielerinnen stellten sich als erstes der Öffentlichkeit und erzählten von den sexuellen Missbrauchs- und Gewalterfahrungen, die sie machen mussten, weil Männer – oder zu Beginn ein Mann, Harvey Weinstein – ihre Machtposition ausnutzten. Dieses Handeln machte Schule, mit dem Hashtag #metoo drückten weltweit Frauen in den sozialen Netzwerken aus, dass sie ebenfalls sexuelle Gewalterfahrungen machen mussten. Weltweite Solidarität und Ermutigung waren die Folge. Frauen, die lange geschwiegen hatten und bislang das Gefühl hatten, sich für ihre Erfahrungen schämen zu müssen, erlebten und erleben plötzlich, wie viele mutige Frauen erzählen, was ihnen zugestoßen ist. Diese Frauen sind Vorbilder, immer mehr Frauen sprechen inzwischen offen bzw. offener über erlebte sexuelle Gewalt, sei es im Showbusiness, in der Politik oder in der Wissenschaft. Die Angst vor der Stigmatisierung als hilflos und hysterisch tritt in den Hintergrund, die Opfer trauen sich vermehrt, in dem auch durch den Hashtag #MeToo geschaffenen Sicherheitsraum, offen zu sprechen.

Besonders bemerkenswert finde ich, dass auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung Konsequenzen aus der Metoo-Debatte gezogen wurden. Der Landesfrauenrat mit seinen Mitgliedsverbänden begrüßt, dass neben einem Runden Tisch mit dem Ziel, den Zugang zu Frauenhäusern zu sichern auch Sensibilisierungsmaßnahmen für Arbeitgeber gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz geplant sind! Auch die Formulierung, die genauso wörtlich im Koalitionsvertrag steht, ist ein wichtiges und aussagekräftiges Novum. Es steht da: „Sexismus begegnet uns täglich und überall – in Medien und Kultur, in der Werbung, am Arbeitsplatz und in der Politik.“ Die Anerkennung des Problems ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung!

Hier in Deutschland leben wir noch immer in einer patriarchal geprägten Gesellschaft. Die Gleichberechtigung steht zwar schon seit fast 70 Jahren im Grundgesetz, umgesetzt und in den Köpfen angekommen ist sie aber noch lange nicht. Ich bin überzeugt, dass wir erst in einer Gesellschaft, die eine tatsächliche Gleichberechtigung lebt, die gezielte Gewalt gegen Frauen beenden können. Es ist also wichtiger Teil des Prozesses, dass wir Alltagssexismus und Diskriminierung im Alltag ausmerzen. Schön, dass der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD entsprechende Schritte in die richtige Richtung vorsieht. Wenn Politik und all diejenigen, die sich für gelingende Gesellschaft und Gemeinschaft engagieren, an einem Strang ziehen, dann hat unser Anliegen gute Erfolgsaussichten!

Heute zum Aktionstag One Billion Rising stehen wir alle gemeinsam hier und zeigen unsere Unterstützung und Solidarität für alle Frauen weltweit, die Gewalterfahrungen machen mussten. Wir stehen hier, um für die Beendigung der Gewalt an Frauen und Mädchen zu demonstrieren und zu tanzen. Wir setzen gemeinsam ein Zeichen gegen die sexuelle Ausbeutung von Frauen und für ein selbstbestimmtes Leben von Frauen. Niemand, außer jede einzelne selbst, darf bestimmen, was mit ihrem Körper zu passieren hat: mit wem wir Sex haben wollen, ob wir Abtreiben wollen oder nicht, wie wir uns kleiden wollen! Dem Landesfrauenrat mit seinen Mitgliedsorganisationen ist es schon immer ein Anliegen, Gewalt gegen Frauen zu verhindern und besondere Schutzbedarfe von Frauen zu erfüllen. Das ist gerade für geflüchtete Frauen ein großes Thema. Deshalb setzt sich der Landesfrauenrat auch für Schutzraum und Extraunterkünfte für die von Gewalt betroffenen geflüchteten Frauen ein. Darüber hinaus ist natürlich die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ein zentrales Anliegen des Landesfrauenrats. Mit der Durchsetzung von Gleichberechtigung und damit verbunden der gegenseitigen Achtung und Respekt der Geschlechter füreinander glaube ich fest, dass wir die Beendigung der Gewalt an Frauen und Mädchen erreichen können. Wir alle sollen selbstbestimmt und unabhängig entscheiden und leben dürfen! Schön, dass Sie heute hier sind, um gemeinsam diesen Aktionstag zu feiern und um gemeinsam ein Zeichen zu setzen!

*) Es gilt das gesprochene Wort

Zitate nur mit Zustimmung der Verfasserin – über info@landesfrauenrat-bw.de

Kontakt:
Stuttgart 2018 – One Billion Rising

 


Redebeiträge auf OBR Veranstaltungen

Mit viel positiver Energie, fröhlichen Musik- und Tanzaktionen ist es gelungen, die Protestaktion als Symbol weltweiter Frauensolidarität zu etablieren, um dabei größte Aufmerksamkeit auf schwierge Themen zu lenken, die in der Vielzahl von Redebeiträgen auf allen Veranstaltungen zu One Billion Rising thematisiert werden.

180 Orte haben 2018 allein in Deutschland an One Billion Rising teilgenommen. Welch’ ein Riesen-Erfolg. Damit unsere gemeinsamen Anliegen weit über den V-Tag hinaus wahrgenommen werden können, möchte ich auf dieser Seite all unsere Redebeiträge zur Nachlese bereitstellen.

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Eure Sabine M. Mairiedl | www.onebillionrising.de