Magdeburg 2018 – One Billion Rising
Redebeitrag Magdeburg 2018
Anne Borchert
Anne Borchert spricht am 14.2.2018 in Magdeburg:
„In der Vorbereitungsphase sind uns in unserer Arbeitsgruppe oft zwei Aussagen begegnet:
1. Mittlerweile darf man ja gar nichts mehr!!
2. Aber es gibt doch so viele Falschbeschuldigungen!
Das führt uns zu der Frage: Wo fängt Gewalt an?
Es gibt unzählige Definitionen in den Wissenschaften, aber da Gewalt ein Alltagsphänomen ist, das uns alle direkt oder indirekt betrifft, möchte ich euch hier meine Gedanken dazu erzählen
Gewalt fängt da an, wo der Konsens aufhört
oder anders
Gewalt fängt da an, wo du deine Grenzen überschritten siehst
Grenzen sind etwas sehr Individuelles.
Jeder Mensch steckt seine Grenzen woanders. Aber egal, wo sie sind, sie sind wichtig. Du bestimmst, wann deine Grenze erreicht ist. Dein Gefühl ist der einzige Maßstab, der zählt. Du hast das Recht, deine Grenzen zu ziehen. Niemand hat jemals und in keiner Situation das Recht, deine Grenzen zu überschreiten.
Und genau da fängt Gewalt an – Wo Grenzen überschritten, missachtet oder abgewertet werden. Und damit ist Gewalt mehr als nur körperliche Gewalt. Ihr denkt, ihr dürft gar nichts mehr? Fragt doch einfach euer Gegenüber mal, womit sie sich wohlfühlt und womit nicht.
Ja, dann sollen sich Frauen* einfach nicht so haben und nicht so empfindlich sein?
Es gibt einen großen Unterschied: Wenn dir Gewalt angetan oder angedroht wird, weil du ein Mädchen* oder eine Frau* bist, ist das frauenfeindliche Gewalt. Ein Beispiel? Du sagst als Mann* deine Meinung, stehst für eine Sache ein – du bekommst Drohungen. Du sagst als Frau* deine Meinung, stehst für eine Sache ein – du bekommst Vergewaltigungsdrohungen.
Gewalt gegen Frauen* ist oft sexualisierte Gewalt und hat damit einen vermeintlich sehr persönlichen Charakter. Über Persönliches spricht man nicht? Sexualisierte Gewalt ist nichts Persönliches. Gewalt gegen Frauen* hat systematischen, strukturellen Charakter. Es ist Hasskriminalität. Das Bundeskriminalamt hat im November 2017 die Zahlen zu Partnerschaftsgewalt 2016 bekannt gegeben. Insgesamt gab es 133.080 Opfer von Partnerschaftsgewalt, über 80% davon sind weiblich – 99% der Überlebenden von Vergewaltigung sind Frauen*. 99%. Und ein kurzer Wink nach rechts – fast 80% aller Täter sind Deutsche.
Erinnert ihr euch an die EU-Studie, in der ¼ aller Befragten sagten, dass Vergewaltigung manchmal okay sei? ZB. wenn die Frau* betrunken war oder unter Drogen stand? 1% aller Überlebenden standen unter Drogen- oder Alkoholeinfluss. So viel dazu.
Genau solche Zahlen brauchen wir, um Gewalt gegen Frauen* und Mädchen* sichtbar zu machen. Wir brauchen Statistiken, damit wir zeigen können, wie viele Taten es gibt. Und wie viele Frauen* es gibt, die die Folgen nicht überleben. 2016 wurden in Deutschland 331 Frauen* von ihrem Partner getötet. Das sind 331 zu viel.
Was machen wir also mit den Menschen, die sagen „Aber es gibt so viele Falschbeschuldigungen!“?
Ja, es gibt in jedem Lebensbereich Falschbeschuldigungen. Bei jeder Form von Verbrechen. Aber die Zahl der Taten, die nachgewiesen sind ist so viel höher als die derer, die falsch beschuldigen. Und reden wir erstmal gar nicht von der Dunkelziffer, von den Frauen*, die zu viel Angst, zu viel Schmerz, zu viel Ohnmacht fühlen, um darüber reden zu können.
Und nach meinen Erfahrungen geben Frauen*, die Gewalt erleben, sich oft zuerst selbst Schuld.
Gewalt muss aufhören. Gewalt an Frauen* und Mädchen* muss aufhören. Das schaffen wir nur gemeinsam. Indem wir aufhören uns selbst die Schuld zu geben, uns trauen über unsere Geschichte zu sprechen, indem wir zuhören, indem wir Täter bestrafen, indem wir sensibel werden – und indem wir unseren Kindern beibringen, dass ein nein immer und unter jedem Umstand nein bedeutet.
Informationen zur Person:
Anne Borchert ist Geschlechterforscherin und arbeitet in der Koordinierungsstelle für Genderforschung und Chancengleichheit Sachsen-Anhalt im Projekt intoMINT4.0.
Kontakt:
Magdeburg 2018 – One Billion Rising
Redebeiträge auf OBR Veranstaltungen
Mit viel positiver Energie, fröhlichen Musik- und Tanzaktionen ist es gelungen, die Protestaktion als Symbol weltweiter Frauensolidarität zu etablieren, um dabei größte Aufmerksamkeit auf schwierge Themen zu lenken, die in der Vielzahl von Redebeiträgen auf allen Veranstaltungen zu One Billion Rising thematisiert werden.
179 Orte haben 2018 allein in Deutschland an One Billion Rising teilgenommen. Welch’ ein Riesen-Erfolg. Damit unsere gemeinsamen Anliegen weit über den V-Tag hinaus wahrgenommen werden können, möchte ich auf dieser Seite all unsere Redebeiträge zur Nachlese bereitstellen.
Schickt mir bitte Eure Redebeiträge
Bitte lasst mir Eure Redebeiträge in einer Version zukommen, die ich verlinken oder downloaden kann … vorzugsweise als TEXT-Version, word, doc, pdf, etc. (und falls nicht anders möglich als Soundfile- oder Video-LINK) über das Kontaktformular.
Bitte schickt mir:
1 • Rede-Beitrag in Textform
2 • Name der Rednerin/des Redners
3 • Foto der Rednerin/des Redners (bei der Rede)
4 • Kurzinfo über Rednerin/des Redners (kurzer Zweizeiler)
Vielen herzlichen Dank
Eure Sabine M. Mairiedl | www.onebillionrising.de
Magdeburg 2018 – One Billion Rising
Redebeitrag Magdeburg 2018
Anne Borchert
Anne Borchert spricht am 14.2.2018 in Magdeburg:
„In der Vorbereitungsphase sind uns in unserer Arbeitsgruppe oft zwei Aussagen begegnet:
1. Mittlerweile darf man ja gar nichts mehr!!
2. Aber es gibt doch so viele Falschbeschuldigungen!
Das führt uns zu der Frage: Wo fängt Gewalt an?
Es gibt unzählige Definitionen in den Wissenschaften, aber da Gewalt ein Alltagsphänomen ist, das uns alle direkt oder indirekt betrifft, möchte ich euch hier meine Gedanken dazu erzählen
Gewalt fängt da an, wo der Konsens aufhört
oder anders
Gewalt fängt da an, wo du deine Grenzen überschritten siehst
Grenzen sind etwas sehr Individuelles.
Jeder Mensch steckt seine Grenzen woanders. Aber egal, wo sie sind, sie sind wichtig. Du bestimmst, wann deine Grenze erreicht ist. Dein Gefühl ist der einzige Maßstab, der zählt. Du hast das Recht, deine Grenzen zu ziehen. Niemand hat jemals und in keiner Situation das Recht, deine Grenzen zu überschreiten.
Und genau da fängt Gewalt an – Wo Grenzen überschritten, missachtet oder abgewertet werden. Und damit ist Gewalt mehr als nur körperliche Gewalt. Ihr denkt, ihr dürft gar nichts mehr? Fragt doch einfach euer Gegenüber mal, womit sie sich wohlfühlt und womit nicht.
Ja, dann sollen sich Frauen* einfach nicht so haben und nicht so empfindlich sein?
Es gibt einen großen Unterschied: Wenn dir Gewalt angetan oder angedroht wird, weil du ein Mädchen* oder eine Frau* bist, ist das frauenfeindliche Gewalt. Ein Beispiel? Du sagst als Mann* deine Meinung, stehst für eine Sache ein – du bekommst Drohungen. Du sagst als Frau* deine Meinung, stehst für eine Sache ein – du bekommst Vergewaltigungsdrohungen.
Gewalt gegen Frauen* ist oft sexualisierte Gewalt und hat damit einen vermeintlich sehr persönlichen Charakter. Über Persönliches spricht man nicht? Sexualisierte Gewalt ist nichts Persönliches. Gewalt gegen Frauen* hat systematischen, strukturellen Charakter. Es ist Hasskriminalität. Das Bundeskriminalamt hat im November 2017 die Zahlen zu Partnerschaftsgewalt 2016 bekannt gegeben. Insgesamt gab es 133.080 Opfer von Partnerschaftsgewalt, über 80% davon sind weiblich – 99% der Überlebenden von Vergewaltigung sind Frauen*. 99%. Und ein kurzer Wink nach rechts – fast 80% aller Täter sind Deutsche.
Erinnert ihr euch an die EU-Studie, in der ¼ aller Befragten sagten, dass Vergewaltigung manchmal okay sei? ZB. wenn die Frau* betrunken war oder unter Drogen stand? 1% aller Überlebenden standen unter Drogen- oder Alkoholeinfluss. So viel dazu.
Genau solche Zahlen brauchen wir, um Gewalt gegen Frauen* und Mädchen* sichtbar zu machen. Wir brauchen Statistiken, damit wir zeigen können, wie viele Taten es gibt. Und wie viele Frauen* es gibt, die die Folgen nicht überleben. 2016 wurden in Deutschland 331 Frauen* von ihrem Partner getötet. Das sind 331 zu viel.
Was machen wir also mit den Menschen, die sagen „Aber es gibt so viele Falschbeschuldigungen!“?
Ja, es gibt in jedem Lebensbereich Falschbeschuldigungen. Bei jeder Form von Verbrechen. Aber die Zahl der Taten, die nachgewiesen sind ist so viel höher als die derer, die falsch beschuldigen. Und reden wir erstmal gar nicht von der Dunkelziffer, von den Frauen*, die zu viel Angst, zu viel Schmerz, zu viel Ohnmacht fühlen, um darüber reden zu können.
Und nach meinen Erfahrungen geben Frauen*, die Gewalt erleben, sich oft zuerst selbst Schuld.
Gewalt muss aufhören. Gewalt an Frauen* und Mädchen* muss aufhören. Das schaffen wir nur gemeinsam. Indem wir aufhören uns selbst die Schuld zu geben, uns trauen über unsere Geschichte zu sprechen, indem wir zuhören, indem wir Täter bestrafen, indem wir sensibel werden – und indem wir unseren Kindern beibringen, dass ein nein immer und unter jedem Umstand nein bedeutet.
Informationen zur Person:
Anne Borchert ist Geschlechterforscherin und arbeitet in der Koordinierungsstelle für Genderforschung und Chancengleichheit Sachsen-Anhalt im Projekt intoMINT4.0.
Kontakt:
Magdeburg 2018 – One Billion Rising
Redebeiträge auf OBR Veranstaltungen
Mit viel positiver Energie, fröhlichen Musik- und Tanzaktionen ist es gelungen, die Protestaktion als Symbol weltweiter Frauensolidarität zu etablieren, um dabei größte Aufmerksamkeit auf schwierge Themen zu lenken, die in der Vielzahl von Redebeiträgen auf allen Veranstaltungen zu One Billion Rising thematisiert werden.
179 Orte haben 2018 allein in Deutschland an One Billion Rising teilgenommen. Welch’ ein Riesen-Erfolg. Damit unsere gemeinsamen Anliegen weit über den V-Tag hinaus wahrgenommen werden können, möchte ich auf dieser Seite all unsere Redebeiträge zur Nachlese bereitstellen.
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Bitte schickt mir:
1 • Rede-Beitrag in Textform
2 • Name der Rednerin/des Redners
3 • Foto der Rednerin/des Redners (bei der Rede)
4 • Kurzinfo über Rednerin/des Redners (kurzer Zweizeiler)
Vielen herzlichen Dank
Eure Sabine M. Mairiedl | www.onebillionrising.de
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